Demos am Sonntag - Das Ritual der Selbstvergewisserung

Das Ritual der Selbstvergewisserung

Demos am Sonntag

von Tobias Wesp

Wundersame Dinge passieren gerade. Im Bund regiert eine chaotisch-dilettantische Koalition, die nur davon zusammengehalten wird, dass die Umfragen für alle daran beteiligten Parteien so schlecht sind, dass niemand davon Neuwahlen will. Ergebnisse produziert diese Regierung keine.

Was sie dagegen schaffen, ist die Organisation von Protesten mit voraussichtlich vielen Teilnehmern gegen die Opposition. Die von einigen Kommentatoren schon gezogenen Parallelen zur Endphase der DDR sind wohl nicht ausschließlich humoristisch gemeint.

Demos gegen Rechts

Die für heute angekündigten Demonstrationen richten sich „gegen rechts“. Auch das ist bemerkenswert, da „rechts“ eigentlich einfach nur eine politische Richtung ist. Das Pendant zu links. Rechts stehen die Konservativen, die Anti-Egalitären, die Befürworter von Sicherheit. Positionen, die man ablehnen kann, gegen die man aber schwer pauschal demonstrieren kann.

Dass sich heute wohl kaum noch ein Konservativer als „rechts“ bezeichnet, liegt am politischen Framing des Begriffs. Während „links“ ohne Scham als Selbstbezeichnung verwendet wird, haftet dem Rechten der Makel des Antidemokratischen an. Und als „rechts“ in ihrem Sinne bezeichnen die Linken auch weiteste Teile der politischen Mitte.

Nun mag man einwenden, dass doch klar ist, worum und wogegen es den Initiatoren geht. Die sogenannte Alternative für Deutschland soll ein Geheimtreffen mit zwielichtiger Thematik veranstaltet haben. Der Sammelbegriff „rechts“ verwundert trotzdem. Davon abgesehen, dass sich Parteien mit Deutschland im Namen für echte Bayern ohnehin verbieten, hat die AfD definitiv nicht das Monopol auf das konservative politische Spektrum gepachtet. Dass die sehr dünnen Enthüllungen ad hoc zu solcher Entrüstung geführt haben, mag auch glauben, wer will.

Eine besondere Ironie besteht darin, dass es gerade die Politik der nun zu Protesten aufrufenden Parteien ist, die der AfD ihren aktuellen, von ihrer eigenen Politik und ihrem eigenen Auftreten kaum verdienten Höhenflug beschert.

Gemeinsam gegen Rechts mit Israelhassern

Bemerkenswert ist auch, dass sich die demonstrierenden Landwirte in den letzten Wochen immer wieder anhören mussten, sie hätten sich von Vereinnahmungen zu distanzieren, denn man gehe nicht mit Extremisten auf die Straße. Die jetzigen Demonstranten haben dagegen keinerlei Hemmungen, mit Organisationen vom äußersten linken Rand Seit’ an Seit’ zu marschieren.

Besonders perfide wird es dann, wenn zur Demonstration unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt“ aufgerufen wird, das besonders nach den Hamas-Angriffen am 07.10.2023 populär geworden ist. Wenn man sich die Liste der teilnehmenden Organisationen anschaut und die Bilder von den bisherigen Veranstaltungen anschaut, ist jedenfalls eines klar: Mit einer Israel-Fahne sollte man sich lieber nicht unter diese Menge mischen.

Der Slogan wird zur vermeintlichen Straßenmacht

Wer mit dem Slogan „Gemeinsam gegen rechts“ vermeintliche Straßenmacht zeigen will, sollte vielleicht auch den einen oder anderen Gedanken daran verschwenden, mit wem er sich denn da gemein macht.

Für Zweifel, Hinterfragen der eigenen Strategie oder gar Selbstkritik ist bei den Initiatoren freilich kein Platz. Denn diese öffentlichen Versammlungen zelebrieren natürlich auch die ritualisierte Selbstvergewisserung, auf der (einzig) richtigen Seite zu stehen. Über das eigene Spektrum hinaus erzeugen sie kaum Wirkung, sondern vielmehr eine Vertiefung von Gräben und die Zementierung eines Schwarz-Weiß- oder Links-Rechts-Denkens.

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